Das ungenutzte Potential des Tiefdrucks

Eins vorweg: Mir ist vollkommen klar, dass Tiefdruck als teuer wahrgenommen wird.

Der Gründe sind die wahrscheinlich die aktuellen Auftragsgrößen und die hohen Rüstzeiten. 

 

Die Maschinenhersteller haben zwar bereits einen sehr guten Beitrag dazu geleistet, die Rüstzeiten in Druckereien auf ein Minimum zu reduzieren. Für die meisten Druckereien ist es allerdings derzeit kaum möglich für Neuerungen jedes Mal neu zu investieren. Darum ist das Durchschnittssetting der Druckmaschinen nicht auf dem Stand der aktuellen technischen Möglichkeiten.

 

Hier nun aber den Schluss zu ziehen, dass wir uns mit dieser Situation abfinden müssen und nur andere Druckverfahren als Alternative übrig bleiben, ist für mich zu kurz gedacht. Wir brauchen Kreativität, gepaart mit Erfahrung und Wissen.

 

Der Tiefdruck bietet dafür zu viele Vorteile.

Es gibt kein Druckverfahren in dem es eine höhere Auflagenstabilität gibt. Tiefdruck bietet außerdem die höchste Wiederholbarkeit.  Weiterhin können durch den Tiefdruck alle Veredelungen wie bspw. Metalliceffekte, Pearleffekte , Haptikeffekte, etc. umgesetzt werden.

 

Lassen Sie mich hier kurz die Stolpersteine aufführen, die ich heute wahrnehme.

Zum einen gibt es beispielsweise keinen Prozessstandard, wie es ihn im Offsetdruck gibt. Das heißt: Wird im Offset also von Anfang an mit dem ISOcoated Standard gearbeitet, dann wird auch in jeder zertifizierten Offset-Druckerei das gleiche Ergebnis erzielt  - sofern sich an die Regeln und Standards gehalten wurde...

 

Von einem derartigen Standard sind wir im Tiefdruck weit entfernt. Viele Drucker setzen immer noch auf einen Hausstandard, als vermeintliches Alleinstellungsmerkmal. -Ich habe dazu das Bild von Handyherstellern im Kopf, die alle eigene Ladebuchsen anbieten.-

 

Wie könnte eine Lösung aussehen?

 

Wir brauchen einen Standard. Nicht der kleinste gemeinsame Nenner sollte gesucht, sondern ein für den Kunden sinnvoller und vorteilhafter Standard angestrebt werden. Dieser muss die Vorteile des Tiefdrucks optimal ausnutzen.

Sind wir mal ehrlich, auch der aktuelle Offset-Standard wird mit einem sehr alten Maschinenpark in Druckereien nicht erreicht. Das ist aber auch gar nicht das Ziel.

Ich möchte hier kurz Jürgen Möller herausstellen. Für mich ein Vorreiter der Industrie. Jürgen Möller, einer der Gründer von 4Packaging hat bereits für einen Anwendungsbereich einen fertigen Standard offen gelegt und bewiesen dass es funktioniert. 4Packaging hat seiner Zeit alle Parameter, sowie Gradationskurven, der Industrie kostenfrei zur Verfügung gestellt. Somit also erstmals einen Standard geschaffen und publiziert.

Dieser Weg muss fortgesetzt werden.

 

Das alleine ist aber noch nicht die Lösung. Tiefdruck muss durch abstraktere und kreativere Herangehensweisen attraktiver für Markenartikler gestaltet werden. 

 

Warum wird dem Thema Multiformen-Layout so wenig Beachtung geschenkt?

Unternehmen wie z.B. FlyerAlarm, denen es am Ende egal ist wie viele verschiedene Einzelnutzen in einem Layout stehen, kann man natürlich nicht 1 zu 1 auf den Verpackungstiefdruck übertragen. Ich bin mir aber sicher, dass es auch hier sehr gute Lösungsansätze gibt.

Genau diese Lösungsansätze müssen gemeinsam mit den Druckern, Markenartiklern und Formherstellern erarbeitet werden.

 

Multicolor-Farbraum

Eine weitere Möglichkeit ist, sich einen sinnvollen Multicolor-Farbraum (7c oder 8c) zu überlegen. In Ansätzen findet das immer mal wieder statt ohne es konsequent zu Ende zu denken. Ohnehin ist die Frage: Warum beim heutigen Stand der Technik, nicht viel mehr im 4C gedruckt wird? Wer hat jemals wirklich verglichen, ob die Produktionsschwankungen über mehrere Auflagen im 4C deutlich schlechter sind, als der Aufbau mit immer neuen Sonderfarben?

 

Mir ist vollkommen bewusst, dass die Lösungsansätze, die ich hier in den Raum werfe nur für vielleicht 60 Prozent der Aufträge möglich sind  - eventuell auch nur für 40 Prozent. Doch diese Zahlen sind es trotzdem wert, sich darüber intensiver Gedanken zu machen.

 

Um der Wahrheit die Ehre zu geben, neigt unsere Industrie zu der Einstellung: Ist irgend etwas nicht für 100 Prozent der Anwendungen möglich, dann lassen wir es doch lieber direkt. ;-)

 

Ich freue mich über Kritik, Austausch und Ideen.

Lassen Sie uns Tiefdruck gemeinsam neu denken.

 

Ihr Björn Kammertöns

 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Jan Voerman (Mittwoch, 05 Januar 2022 14:00)

    Hallo Björn,

    Ich bin voll einverstanden. Vor allem dass wir ein Tiefdruck Standard nicht anpassen sollten an andere verfahren, aber das was Tiefdruck bietet, voll benutzen.
    In der Vordruck Maschine kann man ja viel herumspielen, und muss man ja auch öfters, wenn Farbe und / oder Zylinder nicht ganz optimal sind. Wenn Zylinder optimal sind, und dank neuste 3D Näpfchen mess Methoden sind die viel besser geworden, ist es einfacher um zu ein Standard zu kommen. Es gibt aber noch viele Zylinder Hersteller mit ältere 2D Näpfchen mess Methoden und da kann Dynamic Tolerance Control auf Gravur Maschinen nachgerüstet werden. Zylinder mit ganz enge Toleranzen. So kommen wir ein Standard näher.

    Jan Voerman.